Bubatz in einem Jahr legal? – So gehen Unternehmen und Kommunen mit der Cannabis-Legalisierung um

„Sie denken, wir kiffen, weil wir blöde sind, Lass‘ mal Gras über die Sache rauchen“, singt das Duo SXTN in ihrem Song „Bongzimmer“ schon 2017.

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Das Lied wird heute noch auf vielen Partys gespielt und Kiffen, also das Rauchen von weiblichen Hanfblüten, ist inzwischen besonders unter Jugendlichen normalisiert – trotz der Illegalität. In einem Jahr soll nun aber Cannabis, auch Gras, Bubatz, Weed oder Hasch genannt, in Deutschland legal werden. Seit die Ampel-Koalition die Cannabis-Legalisierung versprochen hat, wird über das kontroverse Thema heftig diskutiert. Manche halten die Pläne der Bundesregierung für vernünftig, manche freuen sich, legal konsumieren zu können, andere üben scharfe Kritik. Wenn aber diese Pläne tatsächlich umgesetzt werden, wirft das ganz neue Fragen auf: Wie genau soll diese Umsetzung aussehen? Welche Bedeutung wird die Legalisierung in Deutschland wirtschaftlich haben? Und vor welche Herausforderungen steht die Politik dann, auf Bundes- sowie auf Kommunalebene?

Momentane Lage: Viel Hoffnung, viel Unsicherheit

Im Moment ist Cannabis, genauer gesagt dessen Besitz, Erwerb, Verkauf und Anbau, in Deutschland verboten und kann mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Nur medizinischen Cannabis kann man sich seit 2017 auf Rezept verschreiben lassen. Außerdem sind Produkte erlaubt, die das nicht psychoaktive Cannabinoid CBD enthalten und einen THC-Gehalt unter 0,2 Prozent besitzen.

Doch die Koalitionspartner hatten 2021 bereits in ihrem Wahlprogramm die Legalisierung von Cannabis versprochen. Im Oktober vergangenen Jahres legte die Bundesregierung dann ein Eckpunktepapier vor. Nach diesem Entwurf soll Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft und der Besitz von bis zu 30 Gramm erlaubt werden, genauso der Verkauf in lizensierten Geschäften und der Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen. Bis Cannabis zugelassen wird, dauert es aber wohl noch ein bisschen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach verspricht einen Gesetzesentwurf bis März 2023. Allerdings muss die EU-Kommission die deutschen Pläne prüfen. Dabei besteht die Möglichkeit, dass sie zu dem Ergebnis kommt, dass die Legalisierung gegen das EU-Recht verstößt. Auch innenpolitisch gibt es viel Gegenwind, vor allem aus der konservativen Ecke. Ob die Legalisierung umgesetzt werden kann, ist also unklar; eigentlich müsste man hier momentan ständig im Konjunktiv sprechen. Und auch, wenn die Pläne der Koalition durchgesetzt werden, müsste danach erstmal noch eine Behörde zur Kontrolle und Lizenzierung von Shops geschaffen werden, Shops müssten sich gründen und der Anbau beziehungsweise Import müsste geregelt werden. Doch trotz dieser Unsicherheiten und Verzögerungen scheinen viele erwartungsvoll auf die Legalisierung der Droge hinzufiebern.

Das neue Gesetz soll vor allem eines bewirken: Die Jugend schützen, durch strenge Überwachung und somit Schutz vor Verunreinigung und Verkauf an Jugendliche. Der Schwarzmarkt soll ausgestochen werden und durch lizensierte Geschäfte ersetzt werden. Doch was bedeutet das in der Umsetzung? Nicht nur der kifffreudige Bevölkerungsanteil profitiert – auch die Wirtschaft würde gewinnen.

Wirtschaftliche Bedeutung: Zwischen großen Gewinnen und großem Risiko

Für Unternehmen würde die Cannabis-Legalisierung viele neue Chancen bieten. Zum einen könnten Unternehmen, die jetzt schon medizinischen Cannabis vertreiben, ihr Produktangebot erweitern und das, ohne ihre jetzigen Kunden zu verlieren. „Wenn man Cannabis zu therapeutischen Mitteln einsetzt, ist es auch in Zukunft hilfreich und sinnvoll, sich nicht selbst zu medikamentieren, sondern mit Hilfe von medizinischem Cannabis und unter ärztlicher Aufsicht“, sagt Kathrin Konyen, Pressesprecherin von Canify. Das Unternehmen bietet sowohl medizinische Cannabisprodukte als auch ärztliche Beratung an. Außerdem könne laut Konyen eine Legalisierung die bestehende, komplizierte Bürokratie vereinfachen. Auch Unternehmen, die im Moment nur CBD-Produkte verkaufen, würden profitieren.

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Zum anderen entsteht ein neuer Markt, den auch Start-Ups nutzen können. Die Chancen, die die Legalisierung bieten würde, erkennen auch Investoren. Cantourage, ein Start-Up aus Berlin, legte vergangenen November einen sehr erfolgreichen Börsenstart hin: Schon am ersten Tag stieg der Aktienkurs des Unternehmens von 6,48 Euro auf 17,20 Euro, machte also ein Plus von 165 Prozent.

Aber die momentane Unsicherheit, ob die Legalisierung überhaupt kommt, bedeutet auch großes Risiko für Investoren. Falls Cannabis als Genussmittel legalisiert wird, sind große Gewinne zu erwarten, Deutschland könnte zum größten Markt weltweit aufsteigen. Kann die Entkriminalisierung jedoch nicht durchgesetzt werden, ist mit großen Verlusten zu rechnen. Der Cannabismarkt ist sprunghaft und immer abhängig von aktuellen Ankündigungen der Politik und den Aussichten auf eine Legalisierung. Investitionen sind vielversprechend, aber hochriskant.

Aber nicht jeder wird die Droge vertreiben dürfen. Zentral in den Plänen der Bundesregierung ist, dass Cannabisprodukte nur in lizenzierten Geschäften verkauft werden sollen. Wie genau diese Lizenzierung ausgestaltet wird, müsse im geplanten Gesetz näher bestimmt werden, so Dr. Sandra Detzer, Bundestagsabgeordnete der Grünen. Es sei aber zum Beispiel wichtig, dass Menschen, die Cannabis vertrieben, über Expertise, Erfahrung und über Sachwissen verfügen, damit sie ihre Kund*innen gut beraten können. Detzer macht deutlich, wie wichtig die Kontrolle des Verkaufs ist: „Die Lizensierung soll bewirken, dass Menschen, die Cannabis vertreiben, sich dieser Verantwortung auch bewusst sind. Cannabis wird ein Gut, ein Produkt des wirtschaftlichen Alltags sein. Gleichzeitig darf man aber nie vergessen, dass es sich um  eine Droge handelt und dementsprechend hoch reguliert werden sollte.“

Kommunen und Prävention: Guter Ansatz, schlechte Umsetzung?

Eine strenge Kontrolle ist wichtig, um das zu erreichen, was das neue Gesetz bewirken soll: Konsumenten- und Jugendschutz. Junge Menschen konsumieren im Vergleich zum Rest der Bevölkerung deutlich regelmäßiger und häufiger Cannabis. Das sei insofern ein besonderes Problem, als dass gerade für Menschen, die ihre psychosoziale Entwicklung noch nicht abgeschlossen haben, der Cannabiskonsum besondere Risiken, zum Beispiel negative Auswirkungen auf ihre Entwicklung, hätten, so Dr. Peter Raiser, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Auch die Gefahr von Abhängigkeit und negative Folgen für die kognitiven Fähigkeiten nennt Raiser als Risiken von Cannabiskonsum. Zudem ist heute illegal erhältlicher Cannabis oft gestreckt, besonders gefährlich sind künstliche Cannabinoide. Eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene statt des Verkaufs an Minderjährige auf dem Schwarzmarkt ist eines der ausschlaggebendsten Argumente der Befürworter der Legalisierung. Im Eckpunktepapier der Bundesregierung ist vorgesehen, dass neue Präventionsmaßnahmen mit der Cannabis-Legalisierung einhergehen sollen, um die Bevölkerung, aber vor allem Jugendliche als besonders betroffene Bevölkerungsgruppe, zu schützen.

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Zu diesen Präventionsmaßnahmen werden zum einen die Gestaltung des Marktes gezählt: Überwachung und regelmäßige Kontrolle der Geschäfte, kein Verkauf an Minderjährige und auch das geplante Werbeverbot sind Punkte, die zu den sogenannten Verhältnismaßnahmen, also die den Markt betreffenden Rahmenbedingungen und Regeln, gehören. „Wir sprechen nicht so gerne von einer Legalisierung, weil das möglicherweise falsche Vorstellungen weckt. Wir sprechen von einer regulierten Abgabe“, sagt Raiser. Es solle einen Markt geben, der nicht völlig frei ist und zum Konsum anregt, sondern einen, der bestimmten Regeln folgt, wie eine Einschränkung der Tageszeiten, in denen die Substanzen zur Verfügung stehen oder auch das Werbeverbot. Insofern beinhalte das Eckpunktepapier viele gute Ansätze.

Aber auch Maßnahmen, die typischerweise mit dem Begriff „Prävention“ assoziiert werden – mediale Kampagnen, Aufklärung an Schulen, Selbsthilfegruppen – gehören zu den notwendigen Maßnahmen. Diese nennt man Verhaltensmaßnahmen, also Maßnahmen, die sich direkt an die gesamte Bevölkerung sowie besonders gefährdete oder bereits betroffene Gruppen richten. Die angedachte Verbesserung und Ausweiterung dieser wird besonders Kommunen vor Herausforderungen stellen. Diese sind für die Umsetzung von Suchtprävention verantwortlich und finanzieren diese. Schon jetzt sind viele Suchtberatungsstellen überbelastet und unterfinanziert. „Es wird sowohl einen Personalaufwuchs geben müssen als auch eine bessere Ausstattung mit Sachmitteln,“ bestätigt Bundestagsabgeordnete Detzer. Es sei aber möglich, durch die zusätzlichen Einnahmen, die durch den Verkauf von Cannabis generiert werden, den erhöhten, in der Beratung entstehenden Bedarf zu vergüten und die Prävention zu stärken. „Es wird Aufgabe der Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen sein, zu verhandeln, inwiefern die zusätzlichen Einnahmen auch auf der kommunalen Ebene landen.“ Die geplante Cannabis-Legalisierung steckt also voller Herausforderungen. Besonders die jetzige Unsicherheit, ob der Vorschlag von der EU-Kommission genehmigt und dann durchgesetzt werden kann, macht Voraussagen und konkrete Pläne schwierig. Klar ist, einfach legalisieren geht nicht. Es muss bei der genauen Ausgestaltung des Gesetzes darauf geachtet werden, dass die Abgabe kontrolliert ist, der Jugendschutz beachtet wird und Kiffen nicht plötzlich attraktiver ist. Außerdem ist zu bedenken, dass, obwohl, diese Entscheidung auf Bundesebene getroffen wird, besonders Länder und Kommunen belastet werden würden. Es bleibt spannend, welche Verhandlungen geführt und Entscheidungen im nächsten Jahr bezüglich der Legalisierung von „Bubatz“ getroffen werden. Bis dahin, bleibt uns wohl nichts weiter übrig, als uns zurückzulehnen und vielleicht ein bisschen Gras über die Sache zu rauchen.


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