Kommentar: Hongkong in Gefahr

Bevor wir ab dem 12. März mit unserer Redaktion zum Superwahljahr 2021 auf Deutschland schauen, richten wir noch einmal den Blick ins Ausland. Genauer gesagt nach Hongkong, wo eine freie Wahl in immer weitere Ferne zu rücken scheint. Lust auf unsere #Superwahljahr-Redaktion? Melde dich bei uns.

Der Kommentar spiegelt die subjektive Meinung des Autors wider.

Was letzten Sommer noch durchaus präsent in den deutschen Medien war, rückt heute mehr und mehr aus der öffentlichen Wahrnehmung. China greift in Hongkong noch immer autoritär durch. Das betrifft auch uns.

– von Leon Hentschel. Gesprochen von Benjamin Zeeb.

Ende Juni unterzeichnete der Präsident Chinas, Xi Jingping, das „Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong“. Durch dieses Gesetz wurden die Befugnisse der Hongkonger Polizei ausgeweitet, demokratische Oppositionelle werden verfolgt, oft drohen ihnen lange Gefängnisstrafen.
Der Hintergrund dieses Gesetzes sind pro-demokratische Proteste, die in Hongkong seit Jahren immer wieder aufflammen. Hongkong gehört zwar zu China, hat aber unter dem Grundsatz „Ein Land, Zwei Systeme“ einen besonderen Autonomiestatus, d.h. ein eigenes Parlament, eine eigene Regierung und auch ein Grundgesetz, das Hongkonger Bürgern weitgehende Freiheitsrechte gewährt. Die chinesische Regierung schränkt diese Freiheitsrechte nun so stark ein wie noch nie. Darunter leiden vor allem die Aktivist*innen und Anhänger*innen der pro-demokratischen Bewegung. Ihre Demonstrationen werden gewaltsam aufgelöst, Wasserwerfer und Tränengas sind dabei Standard [1], zahlreiche Demonstrant*innen werden verhaftet [2].

Auf der Lennon-Wall sammelten Demonstrant*innen schon 2014 Nachrichten auf Post-It’s. Auch bei den jüngsten Protesten entstanden wieder Lennon-Walls. Foto: Ceeseven, CC BY-SA

Bei der letzten Verhaftungswelle traf es über 50 junge Menschen [3], außerdem wurden drei Gesichter der Bewegung zu monatelangen Haftstrafen verurteilt, weitere Klagen drohen [4]. Hongkongs „Autonomie“ wird durch die chinesische Zentralregierung praktisch außer Kraft gesetzt, denn Peking hat genau das umgesetzt, womit es schon länger gedroht hat.

Mit diesem offensichtlichen und weitreichenden Eingriffen in die Autonomie Hongkongs handelt China nicht nur entgegen jeglicher demokratischen Werte, sondern auch gegen den Großteil der Hongkonger Bevölkerung, der die Demokratiebewegung unterstützt und hinter den Protesten steht, wie die Kommunalwahlen im letzten Jahr zeigten [5]. Die besonderen Privilegien, die China Hongkong bis zum Jahr 2050 zugesichert hat, sind beinahe aufgehoben.
Es ist unklar, wie es nun weitergeht: Die für letzten September geplanten Parlamentswahlen wurden verschoben (vorgeblich wegen der Corona-Pandemie), zahlreiche Aktivisten wurden zuvor von der Wahl ausgeschlossen.

Graffiti von Protestführer Joshua Wong, der im Dezember zu 13,5 Monaten Haft verurteilt wurde, Foto: Thierry Ehrmann, CC BY

Das betrifft auch die internationale Gemeinschaft und nicht zuletzt uns. In Hongkong hat sich eine Protestbewegung entwickelt, die von jungen Menschen getragen wird und sich für mehr Demokratie und Unabhängigkeit von einem autoritären Regime einsetzt. Für diese Bewegung wird die Luft zum Atmen immer dünner – wer sich zu ihr bekennt, riskiert seine Freiheit. Deswegen braucht sie unsere Solidarität, die Solidarität von (jungen) Menschen, die ihre Ziele unterstützen können, ohne eine Haftstrafe fürchten zu müssen. Wenn die deutsche Bevölkerung diese Solidarität und Unterstützung zum Ausdruck bringt, steigt der Druck auf unsere Regierung, die nicht nur auf europäischer Ebene viel Einfluss hat. Solidarität zeigen ist dabei heute so einfach wie nie: Beiträge auf Social Media teilen, auf das Problem aufmerksam machen, Online-Petitionen unterschreiben, vorgefertigte Briefe von Amnesty International abschicken – dafür muss man nicht einmal das Haus verlassen.

Auch einige Bundestagsabgeordnete fordern bereits, stärker für die Freiheiten der Hongkonger einzutreten und China schärfer zu kritisieren [9]. Kritik an China wurde auch geäußert – vom Außenminister Heiko Maas nach der letzten Verhaftungswelle [10]. Doch davon wird man sich nicht beeindrucken lassen. Was es braucht sind harte Sanktionen. Denn die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen darf nicht über den Menschenrechten der Bürger*innen Hongkongs stehen.

Quellen:

[1&2] https://www.tagesschau.de/ausland/hongkong-festnahmen-107.html
[3] https://www.tagesschau.de/ausland/hongkong-aktivisten-festnahmen-101.html
[4] https://www.tagesschau.de/ausland/hongkong-wong-urteil-103.html
[5] https://www.nytimes.com/2019/11/24/world/asia/hong-kong-election-results.html
[6] EIU Democracy Index 2019: https://www.eiu.com/topic/democracy-index
[7] https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-09/hongkong-demokratiebewegung-joshua-wong-andy-li-festnahme-kuestenwache/seite-2
[8] https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-07/nathan-law-angela-merkel-hongkong-china-sicherheitsgesetz
[9] https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-08/menschenrechte-china-heiko-maas-besuch-uiguren-hongkong
[10] https://china.diplo.de/cn-de/aktuelles/erklaerungen/-/2432216

[11] Titelbild: Etan Liam / Lizenz: CC BY-ND


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