Klickt man auf das Instagram-Profil der FDP, so springen einem das Pink und Gelb der Partei förmlich an, der Feed ist gespickt mit plakativen Zitaten, zwischendurch mal ein lächelnder Lindner. Die Partei präsentiert sich in ihrer Beschreibung, in Posts, Tweets und Story-Highlights als kompetent, modern, nahbar.
Dass soziale Medien, wie Instagram, immer mehr an Bedeutung gewinnen, sollte nur wenige überraschen. Für 70 Prozent der Deutschen gehören sie zum Alltag, so eine repräsentative Befragung des Branchenverbands Bitkom, die im Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde. Besonders unter jungen Menschen sei die Nutzung der sozialen Netzwerke weitverbreitet. Facebook, Instagram, Pinterest, Tiktok und Twitter stellen die meistgenutzten Plattformen dar.
Durch die leichte Zugänglichkeit und die sozialen Funktionen entsteht hier ein neuer, digitaler, Ort der Öffentlichkeit. Dabei wird dieser unter anderem für den Zugang zu Informationen genutzt: Etwa 60 Prozent der Befragten wüssten nach eigenen Angaben ohne soziale Netzwerke nicht, was in der Welt geschieht. Doch nicht nur Berichterstattung, sondern auch Politik findet auf Social Media statt: Laut der Studie Bitkoms glauben 38 Prozent der Nutzer*innen, soziale Netzwerke ermöglichten die Teilhabe an demokratischen Prozessen. Ein Viertel gibt zu, soziale Netzwerke hätten Einfluss auf die politische Meinung. Auf den Plattformen sind politische Beiträge, Debatten, Streits täglich zu beobachten. Und auch Wahlkampf kann auf Social Media stattfinden.
Alle etablierten Parteien sowie viele politische Persönlichkeiten sind in den sozialen Netzwerken vertreten. Die FDP beispielsweise hat auf Instagram 146 Tausend Follower, auf Facebook sind es 116 Tausend. Zum Vergleich: Der Bundeskanzler hat momentan 1,9 Millionen Follower auf Instagram, die deutsche Fitness-Influencerin Pamela Reif 9,2 Millionen. Unbeliebt ist der Account der Partei also nicht, doch mit den Stars kann er sich nicht messen. Und trotzdem konnte die FDP bei der letzten Bundestagswahl 23 Prozent der Erstwählenden für sich gewinnen. Dieses Wahlergebnis direkt auf die sozialen Medien zurückzuführen, wäre wohl zu kurz gegriffen. Aber die Partei hat das Potential des Internets erkannt. Für die vergangene Bundestagswahl 2021 gab sie nach eigenen Angaben 6,5 Millionen Euro für den digitalen Wahlkampf aus. Doch wie kann es eine Partei schaffen, in den sozialen Medien zu überzeugen?
Die sozialen Medien funktionieren nach anderen Mechanismen als klassische Medienformate. Wer dies zu nutzen weiß, kann viele Menschen ortsunabhängig erreichen.
In sozialen Netzwerken herrscht ein riesiges und sich immer erweiterndes Angebot an Inhalten, die alle zur gleichen Zeit und ständig verfügbar sind. So entsteht eine Konkurrenz um Aufmerksamkeit zwischen den einzelnen Beiträgen und Accounts. Um zu verhindern, dass Nutzer*innen zum nächsten Inhalt weiterscrollen, muss ein Beitrag auffallen, herausstechen aus einem Meer aus Content, das Interesse der Zuschauenden wecken und aufrechterhalten. Langweile ist nicht erwünscht. So kann es zur Verkürzung von komplexen Inhalten sowie der Verbreitung von kontroversen und emotionsgeladenen Aussagen kommen. Die Studie „Politische Meinungsbildung Jugendlicher in sozialen Medien“ des Instituts für Medienpädagogik zeigt: Visuell ansprechende und schnelle Inhalte werden bevorzugt, Nutzer*innen favorisieren Informationen, die unterhaltsam verarbeitet und präsentiert werden.
Die FDP scheint dies verstanden zu haben: Der Feed ist einheitlich im knalligen Pink und Gelb der Partei gestaltet, wodurch ein stimmiger und ansprechender Eindruck entsteht. Auf Instagram blinken in den Storys Sticker und Schriftzüge, die um die Aufmerksamkeit der Betrachtenden zu buhlen scheinen. Auf Tiktok postet die FDP-Fraktion des Bundestages bunte Videos mit schnellen Cuts, Memes und trendige Formate. Auf den Instagram- und Twitter-Posts sind knappe Aussagen und Zitate zu lesen. „Schneller schnelles Internet!“, „Freie Fahrt für E-Fuels“, „We <3 GG“. Die Sprüche werden meist von Beschreibungen unter den Posts erläutert, die die Erfolge der Partei feiern, immer unterstützt und unterstrichen von Emojis und Hashtags. Die Partei präsentiert sich farbenfroh, ansprechend und leicht verdaulich.
Hinzu kommt, dass soziale Medien von Algorithmen gesteuert sind. Dabei spielt die Plattform oft Inhalte aus, die die Meinung der einzelnen Nutzer*innen bestätigen, weil diese positiv darauf reagieren. Das führt auf der Seite der Empfänger zu einer geringen Meinungs- und Perspektivenvielfalt im eigenen Feed.
Für politisch motivierte Sender heißt das wiederum, dass einzelne Inhalte nicht mehr die breite Masse ansprechen müssen, wie bei einer Fernsehausstrahlung, sondern eine bestimmte Zielgruppe, der die Inhalte in den Feed gespült werden. Sie soll passgenau erreicht werden. Dadurch müssen Aussagen nicht mehr alle ansprechen, sondern nur noch diese eigene Zielgruppe, also die Wählerschaft, die sich auf Social Media aufhält. Das kann dazu führen, dass die eigenen politischen Ideen als unbestreitbar und alternativlos dargestellt werden und weniger Bereitschaft zu Kompromissen mit anderen Parteien und politischen Ansichten kommuniziert wird.
Die FDP spricht auf ihrem Account nur von ihren Erfolgen und den Themen, die die Wählerschaft begeistern soll. Doch im Vergleich bleibt sie professionell und auf sich selbst konzentriert. Andere Parteien, wie die Linke und die AfD, wettern in ihren Posts schon eher mal gegen andere Fraktionen, nutzen aggressive Formulierungen und erzeugen so ein starkes Wir-gegen-Sie-Gefühl.
Dieses „Wir“ spielt auf Social Media eine große Rolle. Soziale Netzwerke bringen eine Möglichkeit mit sich, die klassische Medienformate nur wenig erfüllen können: Interaktion. Das Teilen und Kommentieren, Austausch und Diskussion, gehören zu den Grundfunktionen.
Auch der Account der FDP antwortet fleißig auf die Kommentare seiner Follower und ermutigt zur Interaktion mit Stickern in den Instagram-Storys, auf die man reagieren kann. So wird der Eindruck von Erreichbarkeit und Dialogbereitschaft vermittelt. Durch die Kommentar- und Teilfunktion und die Möglichkeit, dass auch Privatpersonen eigene Inhalte erstellen können, entsteht in den sozialen Netzwerken ein Raum, in dem Presse und persönliche Meinung, Öffentlichkeit und Privatsphäre vermischt werden. Für Nutzer*innen entsteht so das Gefühl, sie seien direkt dabei und erlebten alles mit. Parteien können dies nutzen, um Wähler*innen an sich zu binden und Bürgernähe zu schaffen. Auf dem Instagram-Account der FDP werden die Follower auf Events mitgenommen und nach ihrer Meinung gefragt und so in den Content eingebunden.
Doch vor allem treten auf Social Media einzelne Persönlichkeiten in den Vordergrund. Hier können Politikmachende ihre menschliche Seite zeigen, einen Blick hinter die Kulissen zulassen und so das Gefühl von Nähe und damit Vertrauen erzeugen. Christian Linder, das Gesicht der FDP, hat mit 371 Tausend Followern auf Instagram und 692 Tausend auf Twitter deutlich mehr als der Account seiner Partei. Auf geposteten Fotos und Videos schaut er freundlich in die Kamera oder zeigt sich bei Veranstaltungen. In Instagram-Storys beantwortet er Fragen seiner Follower. „Herr Lindner, müssen wir Wohlstand neu definieren?“ „Herr Lindner, wie sieht Ihr klassischer Tagesablauf aus?“„Herr Linder, was ist Ihre tägliche Motivation?“ Die Antwort immer ruhig, durchdacht, sympathisch.
Diese Personalisierung schafft Sympathie und Nähe und dafür muss der Bundesvorsitzender der FDP nicht einmal das Haus verlassen. Diese Ortsabhängigkeit ist natürlich ein großer Vorteil der sozialen Medien für Parteien, genauso wie die passgenaue Erreichbarkeit der Zielgruppe. Die FDP zeigt, wie es gehen kann: ansprechend und doch professionell umgeht sie Peinlichkeit und Unglaubwürdigkeit.
Ob das Wahlprogramm dann auch inhaltlich überzeugen kann, steht auf einem anderen Blatt. Die Sozialen Medien sind sicherlich noch nicht zur wichtigsten oder erfolgreichsten Wahlkampfstrategie herangewachsen, eine gute Präsentation in den Sozialen Medien heißt nicht gleich gute Wahlergebnisse. Aber ihre steigende Popularität ist nicht abzustreiten. Besonders junge Menschen, die zukünftige Wählerschaft, können so erreicht werden. Insofern steckt viel Potential in dieser neuartigen Dimension der Öffentlichkeit, die gleichzeitig hochpolitisch und Teil unseres Alltags ist.
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