Die Präsidenten Chinas (Xi Jingping), Russlands (Wladimir Putin) und Brasiliens (Jair Bolsonaro), sowie Indiens Premierminister Narendra Modi und der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa (von links nach rechts), als Vertreter der BRICS-Staaten.

Keine Klemmbausteine, sondern Beginn einer multipolaren Weltordnung

Auf der Bühne der internationalen Politik wird die bisherige politische und finanzielle Hegemonie des Westens durch die aufstrebende Wirtschaftsvereinigung der fünf BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika in Frage gestellt.

Mit dem Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine durch die russische Invasion sprach der Bundeskanzler am 27.02.2022 von einer „Zeitenwende“. Jedoch sollte man beachten, dass diese Zäsur nicht nur eine eurozentrische Veränderung voraussetzt, sondern eine Neuanordnung der globalen Machtverhältnisse impliziert. Das traurige Jubiläum des Ukrainekrieges markiert den Beginn einer geopolitischen Wandlung, die sich seit der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines im September 2022 weiter verschärft hatte. Nur was hat das alles mit dem Aufstieg Chinas und der BRICS-Staaten zu tun? Darauf weisen bereits einige renommierte intellektuelle Personen wie Svenja Flaßpöhler, Slavoj Žižek, Emmanuel Todd, Reinhard Merkel, Alexander Kluge, Jürgen Habermas und viele weitere hin. Die internationalen Finanzmärkte setzen im Zuge dieses Wandels auf die Entwicklung Chinas und Indien als Mitgestalter und Führungskrafte innerhalb dieser neuen Machtkonfiguration. Der bereits verschärfte Wirtschaftskrieg zwischen China und den USA, sowie die momentan sehr angespannte Lage angesichts des Stellvertreterkrieges zwischen Russland und den Transatlantikern in der Ukraine rekreieren die Lager eines neuen kalten Krieges. Der Abschuss von mehreren Ballons über dem amerikanischen Kontinent verschlechterten die diplomatischen Beziehungen zwischen den zwei größten Wirtschaftsmächten. Die zunehmend steigende Staatsverschuldung, drohenden Energiepreisexplosionen und hohe Inflation im kollektiven Westen sowie die Immoblienkrise in China sind weitere Faktoren für eine Zuspitzung der geopolitischen Auseinandersetzungen. Der kollektive Westen besteht im wesentlichen aus liberalen Demokratien wie den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, den Ländern der europäischen Union sowie ihrem informellen Zusammenschloss der G7 und dem Verteidigungsbündnis NATO. Auf der anderen Seite besteht die Vereinigung der BRICS-Staaten unter der Führung Chinas und Russland vorwiegend aus Autokratien dessen Wertesysteme sich nah an der jeweiligen Staatsdoktrin orientieren, mit Ausnahme von Südafrika und Brasilien und ihrer totalitären Vergangenheit. Dabei steht unser demokratisches Gesellschaftsmodell im Zuge der Nachwehen einer Pandemie, eines Krieges in Europa, der hohen Inflation und einer möglichen wirtschaftlichen Rezession unter enormen Druck. Die Fragilität der westlich-geprägten Gesellschaft war noch nie so deutlich. Man möge sich nur alleine an den Sturm auf das Kapitol in Washington, DC. am 6. Januar 2021 erinnern.

Daher sollte man sich die Frage stellen: Was sind die BRICS oder auch BRICS+ genannt? Welche Staaten sind Mitglieder der BRICS-Vereinigung und inwiefern sind sie mit dem Staatenbündnis der G7 vergleichbar? Wie sehen die bilateralen Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten aus? Wie wird Deutschlands Rolle in dieser neuen Weltpolitik aussehen und dessen geopolitische Mitsprache in Zukunft? Warum wird die deutsche Stimme auf der Weltbühne der globalen Akteure kleiner? Nehmen wir uns selber zu wichtig im Wandel der Zeit? Daher lohnt es sich einen näheren Blick auf eines der signifikantesten geopolitischen Projekt des 21. Jahrhunderts zu werfen und diese mit den bestehenden Gegenstücken des Westens in Betracht zu ziehen.

Was ist BRICS?

BRICS ist eine Abkürzung sowie ein Akronym für die Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Bei den BRICS-Staaten handelt sich um eine wirtschaftliche Vereinigung von Staaten deren Vision eine Ablösung der westlichen Hegemonie vorraussetzt. Das Herz der BRICS-Staaten besteht aus dem Dreigespann von Russland, Indien und China, da sie für das wirtschaftliche Wachstum der multilateralen Vereinigung elementar sind. Außerdem versteht sich diese Vereinigung als ein Zusammenschluss von verschiedenen Staaten zur Stärkung von internationalen Beziehungen und wirtschaftlichen Kooperationen; vergleichbar mit den G7-Staaten. Interessanterweise herrscht große internationale und interkontinentale Aufmerksamkeit um diese Staatengemeinschaft, da bereits verschiedene Länder im globalen Süden ein Potenzial zur Stärkung ihrer eigener Wirtschaft darin erkennen. Dabei ist festzuhalten, dass diese Entwicklung bereits mehrere Jahre im Vorlauf ist und nun an die weltweite Öffentlichkeit vordringt. Darunter fallen auch die neuesten diplomatischen Durchbrüche zwischen dem Iran und Saudi-Arabien in denen China als politischer Vermittler auftrtitt und einen Vorstoß geleistet hatte von denen keiner der beiden arabischen Nationen geglaubt hätte. Eine diplomatische Annäherung zwischen den jahrzehntelangen tief-verfeindeten Lagern im Nahen Osten war bis vor kurzem noch eine Utopie, welche jetzt in einem Gipfeltreffen der arabischen Welt unter dem Dach des Golf-Kooperationsrates münden soll. Dies ist auch eine Zäsur von genauso schwerwiegender Tragweite wie der Konflikt um die Ukraine in Europa. In dieser ‚Scholz’schen‘ Zeitenwende ist die politische Handschrift Chinas keineswegs zu übersehen und wird sicherlich weiterhin ein fester Bestandteil dieser geopolitischen Neuanordnung sein. Wahrscheinlich deswegen werden die BRICS-Staaten für politische Restrukturierungen im Zuge einer multipolaren Weltordnung umso relevanter sein.

Eine kurze Historie der BRICS-Vereinigung

Die Abkürzung BRICS, im Original „BRIC“ genannt, stammt aus einem Finanzreport von der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs aus dem Jahre 2001. Dieses Dokument formt sozusagen das Akronym für die Länder Brasilien, Russland, Indien, China und später Südafrika. Der kurze Bericht Building Better Global Economic BRICs von Jim O’Neill beschreibt das Wachstumspotenzial dieser sogenannten „emerging market economies“ (Marktwirtschaft von Schwellenländern) im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt der westlichen G7-Staaten. In diesem Bericht wurde festgehalten, dass gegen Ende der 2000er Jahre ein Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung durch die BRICS-Staaten generiert werden könne. Im Kontrast zur Gegenwart sind heute bereits mehr als 40% der weltweiten Wirtschaftsleistung durch diese Staaten erwirtschaftet worden.

Allen voran besitzt China den Bärenanteil an diesem Kuchen mit einem eigenen Beitrag von 18,6% am weltweiten BIP. Nach den Vereinigten Staaten von Amerika (24,2%) ist die chinesische Wirtschaftskraft unangefochtene Nummer Zwei und setzt ihre steigende Wachstumstendenz fort. Einige Prognosen des Investmentbankers Jim O’Neills in seiner Publikation BRICS and beyond von 2007 verweisen darauf, dass die Wirtschaftsleistung dieser wirtschaftlichen Vereinigung global dominierend bis zum Jahre 2050 sein wird. Erstaunlicherweise ist der rasante Aufschwung der chinesischen Volksrepublik einem mehr als 40-jährigen Plan der Kommunistischen Partei Chinas zu verdanken. Innerhalb weniger Jahrzehnte gelang es der chinesischen Führungsriege einen Großteil der Bevölkerung aus der chronischen Armut zu befreien und zu einem Leben in der gesunden Mittelschicht zu verhelfen. Laut dem slowenischen Philosophen Slavoj Žižek ist der wirtschaftliche Aufstieg Chinas eines der zwei ökonomisch-gesellschaftlichen Wunder der Menschheitsgeschichte.

Der Philosoph Slavoj Žižek im Interview mit der chinesischen Journalistin Qing Wang im Juni 2019.

Damals noch BRIC genannt versammelten sich Brasilien, Russland, Indien und China zum ersten Gipfel im Jahre 2006 in New York City, um über gemeinsame Ziele innerhalb dieses Zusammenschlusses zu sprechen; darunter Freihandel, Entdollarisierung und die Konzeption eines eigenen unabhängigen internationalen Finanzregulators. Unter dem Begriff der „Entdollarisierung“ oder im englischen „Dedollarisation“ genannt, versteht man grundsätzlich die Ablösung des US-Dollar beim Handel von fossilen Rohstoffen und Edelmetallen wie Gold oder Silber. Es ist im Interesse der BRICS-Staaten, dass Monopol des US-Dollars zu brechen und ihre eigenen Währungen sowie wirtschaftliche Ökonomien zu stärken. Somit versammelte sich die knappe Hälfte der Erdbevölkerung in der kollektiven Staatengemeinschaft unter dieser wirtschaftlichen Vereinigung. Im Vergleich dazu besteht die wirtschaftliche Dominanz des kollektiven Westens seit mehr als 100 Jahren an, insbesondere der USA. Doch das scheint sich zu ändern, da die bevölkerungsstärksten Volkswirtschaften somit auch zu den produktivsten der Welt gehören. Interessanterweise leben „nur“ 350 Millionen Menschen in den USA, während auf der chinesischen Seite fast fünfmal so viel mehr Menschen existieren, die sich mit einer rasant wachsenden Wirtschaftsleistung bis an die Spitze der globalen Weltwirtschaft vordringen. Indien unter ihrem Premierminister Narendra Modi verfügt über einen vergleichbaren Bevölkerungsreichtum. Um ein Gefühl für die wirtschaftliche Signifikanz Chinas in seinem teleologischen und pragmatischen Wesen zu erhalten, lohnt es sich eine journalistische Zeitreise zu unternehmen. Bereits im Jahre 1993 wurde in der Publikation Foreign Affairs von The Rise of China geschrieben und das wirtschaftliche und militärische Potenzial sehr früh in ihrem geopolitischen Kontext erkannt. Der Autor Nicholas Kristof fasst die Signifikanz Chinas in folgenden Worten zusammen:

The rise of China, if it continues, maybe the most important trend in the world for the next century. When historians one hundred years hence write about our time, they may well conclude that the most significant development was the emergence of a vigorous market economy–and army–in the most populous country of the world. This is particularly likely if many of the globe’s leading historians and pundits a century from now do not have names like Smith but rather ones like Wu. China is the fastest growing economy in the world, with what may be the fastest growing military budget. It has nuclear weapons, border disputes with most of its neighbors, and a rapidly improving army that may–within a decade or so–be able to resolve old quarrels in its own favor. The United States has possessed the world’s largest economy for more than a century, but at present trajectories China may displace it in the first half of the next century and become the number one economy in the world.

Nicholas D. Kristof, Foreign Affairs Vol. 72 No. 5 p. 59, 1993.

Diese politische Analyse war und ist heute noch von aktueller Bedeutung. Somit sind die existenziellen Befürchtungen bezüglich eines Endes der amerikanischen Hegemonie real. Das Ende des sogenannten amerikanischen 20. Jahrhunderts wurde eingeleitet mit dem Eintreffen des chinesischen Jahrhunderts. Dabei liegt es auf der Hand, dass ein Großteil importierter Produkte in Nordamerika und der EU auf chinesischer Manufaktur- und Fertigungsarbeit basieren. Als Beispiele des chinesischen Monopols sollte man sich an die Herstellung von elektronischen Endgeräten oder der Verfeinerung von seltenen Erden erinnern. Und in Zeiten der geopolitischen Neuorientierungen kommt es immer zu plattentektonischen Machtveränderungen. Die Besorgnisse des kollektiven Westens verdeutlichen sich in diversen politischen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen BRICS-Staaten und den G7. In den letzten Jahren konnte man einen Vorgeschmack auf diesen womöglich noch intensiveren Wirtschaftskrieg erhalten in Bezug auf das Verbot des Huawei 5G-Netz in den USA und der zeitlich befristeten Produktions- und Verkaufsunterbrechungen von iPhones und Teslas in China. Sowie die von der G7 verhängten Ölpreisobergrenze von 60$ pro Barrel gegen Russland und vielen weiteren Sanktionspaketen im Laufe des Ukrainekrieges. Interessanterweise reagierte der Kreml mit dem überraschenden Verkauf von russischem Öl an Indien unter der oben genannten Preisgrenze und zieht somit die Gewinn- und Preispolitik des Westens in Mitleidenschaft. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die chinesischen und russischen Reaktionen auf westliche Sanktionspakete gezielter in die Marktmechanismen der EU und Nordamerika eingreifen.

Innerhalb der BRICS befindet sich der Großteil an wirtschaftlicher Schlagkraft noch auf der Seite der chinesischen Volksrepublik, jedoch ist mit Indiens rasantem Wachstum zu rechnen. Laut dem World Economic Forum wuchs Indiens Wirtschaftsleistung im letzten Jahr um ganze 7%, während Chinas Volkswirtschaft lediglich um 3% anwuchs und damit die schlechteste Wachstumsrate seit 1976 verzeichnet. Trotz dieser gemäßigten Wachstumszahlen aufgrund der Lockdown-Regelungen wird China seine Rolle fortführen im Stile eines integralen und führenden Bestandteiles der BRICS-Vereinigung mithilfe von weiteren internationalen und multilateralen Partnerschaften. Allerdings verweist Kristof auf diplomatische Streitigkeiten in Bezug auf die indo-chinesischen Regionen Tibets, die einst durch die frühen chinesischen Annektierungen der frühen 1960er Jahre bis hin zu weiteren militärischen Konflikten in die späten 1980er Jahre für indo-chinesische Diskrepanzen gesorgt hatten. Aus der indischen Sicht ist China der wichtigste Handelspartner, aber aus nationaler Sicht ein indirekter Feind aufgrund wiederkehrender diplomatischer Fehltritte bezüglich der historischen Auseinandersetzungen in Tibet. Dadurch ist klar, dass China und Indien im wirtschaftlichen Geflecht der BRICS einander brauchen und deswegen friedlich miteinander koexistieren müssen. Dazu braucht es eine diplomatische Charmeoffensive von einem Land, dass ein sehr gutes Verhältnis zu beiden Parteien pflegt. Dieses Land heißt Russland und begünstigt durch die billigen Ölverkäufe einerseits wirtschaftliche Aktivitäten in Indien und dient gleichzeitig als diplomatischer Vermittler mit der chinesischen Führung.

Somit können wir festhalten, dass die BRICS durch die enorme chinesische Wirtschaftsleistung einen sehr großen monetären und geopolitischen Vorteil an verschiedenen Orten der Welt einsetzen kann. Die BRICS-Staaten rund um China und Indien mit nahezu identischen Bevölkerungsreichtum von jeweils 1,4 Milliarden Menschen sowie den restlichen Mitgliedern stellen mehr als 40% der gesamten Weltbevölkerung dar, während der kollektive Westen gerade einmal mehr als ein Zehntel der Menschen auf dem Planeten zusammenzählen kann. Zum Vergleich, Deutschland alleine stellt nur 1% der Weltbevölkerung, während Russland aufgrund der sehr niedrigen Bevölkerungsdichte weniger als 2% stellt, obwohl es flächenmäßig fünfmal größer als Indien ist.

Daher kommen wir auf die oben genannte Frage zurück: Was ist BRICS? Bei den BRICS handelt sich um eine wirtschaftliche Vereinigung von Staaten deren Vision eine Ablösung der westlichen Hegemonie vorraussetzt. Das Herz der BRICS-Staaten besteht aus dem Dreigespann von Russland, Indien und China, da sie für das wirtschaftliche Wachstum der multilateralen Vereinigung elementar sind. Gleichzeitig sollte man aber die Wichtigkeit von geostrategischen Ländern wie Brasilien, Südafrika oder weiteren BRICS-Anwärtern wie Saudi-Arabien, Ägypten, Libyen, Mali, Pakistan, oder Algerien nicht außer Acht lassen, da zukünftige Mitgliedsstaaten abseits einer Erweiterung der BRICS-Einflusszone weitere geopolitische Vorteile erbringen können. Außerdem ist die Präsenz Russlands als Öl- und Erdgasförderer innerhalb der OPEC+, sowie deren militärische Präsenz in Afrika von größer Bedeutung für die Expansion der BRICS-Staaten in Afrika. Diese wirtschaftliche Vereinigung ist in ihrem fundamentalen Wesen sehr unterschiedlich im Vergleich zu ihrem westlichen Äquivalent der G7, da sie erstens aufgrund ihrer kolonialisierten Vergangenheiten geringe Autonomien besaßen und letztlich auf keine historisch verwachsenen Industrien zurückgreifen konnten im Gegensatz zu ihren ehemaligen Kolonialmächten. Selbstverständlich gehört Russland nicht zur Gruppe der kolonialisierten Mächte und ist in diesem Sinne einzigartig, da alle anderen Mitgliedsstaaten allen voran China, unter ihren kolonialen Vergangenheiten gelitten hatten. Jedoch besitzt dieser Zusammenschluss eine zunehmend geringe Alterität an Regierungsformen, da sie vorwiegend aus autokratischen Herrschern bestehen, die sich in allererster Linie durch ein enges Wirtschaftsgeflecht zwischen verschiedenen Schwellenländern definiert. Die BRICS-Staaten tragen daher ein historisches Merkmal in sich, dass dem Westen vollständig fehlt: Die erniedrigende Erfahrung von einer fremden Macht kolonialisiert worden zu sein. Aus chinesischer Sicht ist dies von zentralster Bedeutung. Diese Gemeinsamkeit ist das Momentum, dass die BRICS-Staaten miteinander verknüpft und sie aus ihrer weltpolitischen Sicht zu einer sozio-historischen Mission der Gerechtigkeit befähigt. Das Narrativ einer sich selbst aufrichtenden Wirtschaftsmacht von ehemals unterdrückten Kulturen, die durch den Selbstaufbau nach westlichen Maßstäben die bestehenden Demokratien in ihrer Effizienz und Produktivität übertrumpfen, prägt die Vision und Lebensrealität dieser Staaten und ihrer Bevölkerung. Diese Nationen bilden nicht nur ein politisch asymmetrisches Gegenstück zum kollektiven Westen der Europäer und Transatlantiker, sondern leiten bereits seit vielen Jahren die Wege für ein neues Finanzsystem ein. Jedoch bleibt eine Frage von zentraler Bedeutung für jede außenstehende Partei: Welches Ziel verfolgen die BRICS-Staaten?

Ein unabhängiges Wirtschaftsbündnis?

Alle fünf BRICS-Staaten besitzen eine gleich große Beteiligung an der „New Development Bank“, welche im Jahre 2014 gegründet wurde.

Im Laufe des Ukrainekrieges hat sich eine Tatsache herauskristallisiert: Der kollektive Westen unter dem Einschluss der G7, NATO, EU und des IWF (Internationale Währungsfonds) bestimmen die internationalen Spielregeln der globalen Finanzwelt. Wenn von internationaler Entwicklungshilfe in politischen Kreisen gesprochen wird, bedeutet es, dass Kredite von prosperierenden Ländern der großen Industrienationen an Entwicklungs- und Schwellenländer unter strengen Bedingungen und Auflagen von Tilgungen und Zinszahlungen verteilt werden. Aus der Sicht der kreditnehmenden Länder wirken sich die wirtschaftshemmenden Restriktionen für den eigenen Aufschwung negativ aus, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent. Somit übt Europa einen neokolonialen Umgang mit seinen ehemaligen Kolonien durch strenge Kreditauflagen aus, was zu weiteren außenpolitischen Zerwürfnissen mit der zusätzlich negativ behafteten Kolonialgeschichte führt. Diese diplomatischen Differenzen blieben aus europäischer Sicht eine Bedingung, wenn es um die Beschaffung und Übergabe dieser Entwicklungskredite ging, da die EU-Kommission ungern Gelder innerhalb korrupter Machtstrukturen verliert.  Welcher Weg bleibt afrikanischen Politikern noch übrig, wenn der Aufbau einer eigenen starken Wirtschaft durch westliche Interessen verwehrt wird? Südafrika solidarisierte sich bereits im Jahre 2008 mit der Idee eines multilateralen Wirtschaftsbündnis, dass komplett unabhängig von den Restriktionen und diplomatischen Diskrepanzen der alten Kolonialmächte ist. Somit trat Südafrika 2010 der wirtschaftlichen Vereinigung BRIC bei und hängte das „S“ bei BRICS mit dran. Andererseits bestand das europäische Kontrollorgan stets auf moralische Ansprüche gegenüber ihrem afrikanischen Schuldner, wodurch demokratische Ideale und Rechtsstaatlichkeit in den Fokus gestellt wurden anstatt einer funktionierenden Infrastruktur. Der Schlüssel zum politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Erfolg auf dem afrikanischen Kontinent ist alleine dem chinesischen Pragmatismus geschuldet. Die chinesische und russische Politik verlangt keine moralischen und demokratischen Ideale von afrikanischen Gesellschaften ab, sondern verteilt Kredite mit günstigen Konditionen unter dem wirtschaftlichen Schirm der „New Development Bank“ und dem „Contingency Reserve Arrangement“ Währungsfonds. Das neue Gegenstück zur Weltbank, einer international übergreifenden Zentralbank, und dem Gegenstück zum IWF, welche 2014 durch die BRICS-Staaten ins Leben gerufen wurde. Außerdem tragen Südafrika und Brasilien dazu bei, dem BRICS-Bündnis einen Entwicklungscharakter zu verleihen. Aufgrund der Exklusion von afrikanischen Staaten bei ernst zu nehmenden bilateralen und multilateralen Wirtschaftskooperationen innerhalb der G7 wenden sich Schwellenländer wie Südafrika, Algerien, Pakistan, Libyen, Türkei, Kenia und Ägypten an die New Development Bank für attraktiv finanzierte Kredite durch die BRICS-Staaten. Der Hauptsitz dieser neuen Zentralbank befindet sich in Shanghai und bietet außerdem eine Alternative zum Zahlungsverkehrsystem SWIFT, von dem Russland in einem Sanktionspaket des Westens vor knapp einem Jahr ausgeschlossen wurde.

Ein Beispiel für den weiteren Fortschritt dieses Zusammenschlusses ist die Planung einer Visumsfreiheit für geschäftstätigende Individuen innerhalb der BRICS-Staaten – eine Weiterentwicklung des europäischen Schengenraums nach dem Prinzip von wirtschaftsförderlichen Grenzöffnungen. Schließlich hat der neue chinesische Außenminister Qin Gang zu Beginn des Jahres angekündigt die 30-jährige Tradition seiner Vorgänger mit einer geplanten Neujahrs-Afrikareise fortzuführen um diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen weiter auszubauen. In Bezug auf die Gegenwart sind diese Entwicklungen für die finanzielle Vorherrschaft der Amerikaner in den Schwellenländern ein schwerer Nachteil für ihr eigenes Wirtschaftssystem, da die einst unbestreitbare Position des Dollars als Reservewährung durch den chinesischen Yuan gefährdet wird. Der französische Anthropologe und Historiker Emmanuel Todd nannte in einem Interview mit der französischen Publikation Le Figaro, dass der 3. Weltkrieg bereits in einem kleinen Stadium begonnen hatte und sich zu einer globalen Konfrontation zwischen zwei wirtschaftlichen Systemen zuspitzen wird, da beide Lager an Kippelementen in ihrer politischen Durchsetzungskraft angekommen seien. Jedoch sei es wichtig zwischen den verschiedenen ökonomischen Systemen zu differenzieren, da sie jeweils verschiedene Stärkegrade von Inflation und Staatsverschuldung in sich tragen.

Die Hoffnung der EU und der USA war es, dass man den Aggressor des Ukraine-Konflikts wirtschaftlich in die Knie zwingen würde. Jedoch ging dieser Plan nicht auf, da Russland und die BRICS-Staaten bereits sehr früh an unabhängigen Alternativen gearbeitet hatten und die reale russische Wirtschaftsleistung international unterschätzt wurde. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die ehemalige britische Premierministerin Liz Truss dafür wirbt die NATO zu einem starken Wirtschaftsbündnis à la BRICS auszubauen. Allerdings ist der transatlantische Pakt lediglich ein Verteidigungsbündnis, der in der Zeit des Kalten Krieges während einer „West gegen Ost“ Weltordnung geboren wurde. Somit ist die NATO im Vergleich zu den BRICS ein anachronistisches Gebilde mitten im Sturm der ‚Scholz’schen‘ Zeitenwende des 21. Jahrhunderts. Meiner Meinung nach, wäre es womöglich eine bessere Idee, die Zusammenarbeit innerhalb der verschiedenen EU-Länder zu stärken anstatt während der zunehmenden Inflation ein wirtschaftliches frei für alle im Einkauf von Rohstoffen und Gütern zuzulassen. Interessanterweise überschneidet sich dieser genannte Punkt mit der Kritik der FDP an Bidens Administration und ihrem „Inflation Reduction Act“, der die europäische Marktwirtschaft benachteiligt.

Die BRICS-Staaten unter denen vor allem China und Indien sich um die Stärke ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit bemühen, vollzogen ungewöhnliche Maßnahmen, die ihr Monopol unter nationalen Finanzprüfern schützen sollte. Somit ist es nicht wirklich überraschend, dass das chinesische Finanzministerium ihren eigenen Unternehmen anweist die Verträge mit den sogenannten „Big Four“ der Wirtschaftsprüferbranche; also den Firmen KPMG, EY, PwC und Deloitte, nicht zu verlängern und dementsprechend auslaufen zu lassen. Der politische Gedanke dahinter findet sich im Zuge der nationalen Datensicherheit und setzt gleichzeitig ein allgemeines Misstrauensvotum gegenüber den ausschließlich westlichen Wirtschaftsprüfungsunternehmen voraus. Nachdem Skandal um die öffentliche Diffamierung des indischen Adani Konglomerats durch den berühmten amerikanischen Shortseller Hindenburg könnte dies ein weiterer Grund für die chinesischen Maßnahmen gewesen sein. Das einstige Vertrauen in die westliche Finanzprüfung sei nicht einfach so verloren gegangen, sondern entspringt aus dem Ungehorsam der westlichen Institutionen sich an den gesetzlichen Auflagen der chinesischen Regierung nicht zu orientieren. Diese Vorsicht Beijings basiert nicht nur auf kühlem Pragmatismus, sondern der Eliminierung von Verwundbarkeiten und Lehren, die sich im Zuge der Sanktionspakete an Russland deutlich gemacht haben. Somit verleiht es den BRICS-Staaten und insbesondere China weitere Alleinstellungsmerkmale im Laufe dieser wirtschaftlichen und politischen Zeitenwende.

Das Ende des Petrodollars und die Furcht der Amerikaner

OPEC+ symbolisiert die Kontrollinstanz der weltweiten Ölförderung und dessen Preiskontrolle. Darunter ist das Herz der Ölpumpen unter massiven Druck gekommen. Saudi-Arabien diktiert mit ihren gigantischen Ölreserven und natürlich in Absprache mit seinen Mitgliedern der OPEC+ wie sich die weltweite Preisgestaltung eines Barrel an Öl (159l) entwickeln sollte. Dabei sollte man nicht vergessen, dass jeder Barrel Öl in US-Dollar gehandelt wird und somit ein synthetischer Werterhalt für die amerikanische Währung generiert wird. Diese wirtschaftliche Partnerschaft zwischen den Saudis und den Amerikanern erbrachte ein sehr ertragreiches Geschäft für beide Seiten seit den 1970er Jahren. Die Vereinigten Staaten konnten aufgrund der Deviseneinnahmen durch die Abrechnungen der Transaktionen in US-Dollar ihre nationale Währung im internationalen Geschäft stützen. Regelrecht den Wert der eigenen Währung dauerhaft erhöhen bei stagnierender bis hin zu gemäßigt steigenden nationaler Wirtschaftsleistung. Jedoch ist es wichtig festzuhalten, dass die Harmonie zwischen den einstigen Petropartnern zur Nichte gemacht wurde. Die Administration Biden verlangte von der königlichen Familie Salman als Schlüsselfigur der OPEC+, die Ölproduktionen keinesfalls zu kürzen wegen der bevorstehenden Befürchtungen einer weltweiten Rezession. OPEC+ entschied sich gegen den Vorschlag des amerikanischen Präsidenten, da er im Vorlauf der Midterms-Wahlen niedrige Verbraucherkosten erzielen wollte. Stattdessen zapfte das weiße Haus die Standard Petroleum Reserve der USA an, um Ölpreise künstlich zu senken. Der amerikanische Außenminister Anthony Blinken drohte mit harten Konsequenzen sowie dem Lieferstopp von amerikanischen Waffen an Saudi-Arabien und einer Unterbrechung der militärischen Unterstützung im Jemen gegenüber der königlichen Führung von Saudi-Arabien. Das alles passierte Ende letzten Jahres. Die Frage, die nun im Raum steht ist folgende: Welche Konsequenzen hat der mögliche Zerfall des Petrodollars für den Rest der Welt?

Die Folgen für das Ende des Petrodollars teilen sich in zwei Lager auf. Einerseits ist es der indirekte Kontrollverlust über eines der wichtigsten Güter der Welt sowie der Ausfall von Devisenzahlungen für die amerikanische Währung. Dabei darf man nicht vergessen, dass diese Stütze für das monetäre System der USA von enormer Bedeutung ist, da der Goldstandard für den US-Dollar im Jahre 1973 durch Präsident Nixon aufgehoben wurde und diese nicht mehr an ein physisches Äquivalent gemessen werden konnte; also der US-Dollar. Dies war auch die Geburtsstunde des Petrodollars inmitten der Ölkrisen. Die gegenwärtige Diskrepanz aus geopolitischen Zerwürfnissen und monetären Fehlentscheidungen positioniert die BRICS vorteilhaft in ihrer Kampagne einer Entdollarisierung der internationalen Wirtschaft.

Denn auf der anderen Seite des Lagers würde sich die Situation in vielen Ländern des globalen Südens verbessern, wenn sie auf den US-Dollar als globale Reservewährung verzichten könnten. Da ihre eigenen schwachen nationalen Währungen nicht mit der Wertsteigerung und nationalen Wirtschaftsleistung des Dollars mithalten können. Für den Einkauf in die amerikanische Währung stehen die Wechselkurse besonders schlecht, da wirtschaftlich schwache Länder auf nur geringes Wirtschaftswachstum zurückgreifen können um ihre eigenen Währungen aufzuwerten. Daher setzen die BRICS-Staaten mithilfe ihrer eigenen Finanzsysteme auf eine eigene Währung innerhalb der wirtschaftlichen Vereinigung. Seitdem Besuchs Xi Jinpings in Saudi-Arabien vor knapp einem Jahr peilt China die Erschaffung des Petroyuan an. Möglicherweise könnte es sich sogar um die Kreation eines digitalen Yuan handeln; spezialisiert für weltweite Geschäfte mit Rohstoffen. Das wäre nicht die erste monetäre Revolution Chinas, da bereits Kaiser Zhenzong in der frühen nördlichen Song-Dynastie im 10. Jahrhundert n. Chr. das erste staatliche Papiergeld der Welt drucken ließ.

Andererseits ist nicht jedes Mitglied der BRICS über diese Entwicklung einer neuen zentralisierten Währung begeistert. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva signalisierte gemäßigte Unterstützung für das Vorhaben Chinas, da Brasilien eigene Pläne zu einer internationalen Währungsreform mit Argentinien erarbeitet. Die Argumente des brasilianischen Präsidenten richten sich an die Diskrepanz zwischen der chinesischen und der brasilianischen Wirtschaftsleistung. Lulas Skepsis wird auch von den internationalen Finanzmärkten gestützt, da die stagnierende Ökonomie Brasiliens vergleichbar mit Russland sei und unter den Folgen einer chinesischen Vormachtstellung durch eine neue Reservewährung weiter in Mitleidenschaft geraten könnte.

Welchen Umgang sollte der Westen und vor allem Deutschland mit den BRICS-Staaten pflegen?

Das Ende der Pax Americana läutet auch das Ende der wirtschaftlichen Dominanz des kollektiven Westens ein. Dabei ist es völlig egal, ob man von Nordamerika oder Europa spricht, die neuen globalen Speerspitzen der internationalen Wirtschaft werden sich innerhalb der BRICS-Staaten versammeln. Jedoch sollte man den kollektiven Westen in diese zwei Lager trennen, da Europa ganz andere wirtschaftliche Interessen wie Nordamerika verfolgt. Der deutsche Journalist Frank Sieren plädiert für eine Offenheit zu den chinesischen Werten und mahnt vor neokolonialistischen Rhetoriken gegenüber China. In der ZDF-Sendung Precht frägt ihn der gleichnamige Philosoph nach einem praktischen Umgang mit der Wirtschaftsmacht China und seine Antwort wirkt wie eine Mahnung an die westlichen Demokratien.

Der Journalist Frank Sieren im Gespräch mit dem Moderator und Philosophen Richard David Precht in seiner gleichnamigen Sendung. Sie befassen sich mit der multipolaren Weltordnung im Zuge des Ukrainekrieges und dem Umgang Chinas aus deutscher Perspektive. Sendung vom 12.02.2023 im ZDF.

Was mich am meisten stört ist, dass wir gar nicht wirklich darüber diskutieren [der Umgang sowie eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit China], sondern dass wir sagen; der Westen ist gut und China ist schlecht und damit ist die Sache zementiert. Ich glaube, wenn wir das tun, dann schaden wir uns selbst. Und wenn wir nicht mehr danach suchen unsere Demokratie und unsere Gesellschaft weiterzuentwickeln, und wenn wir aufhören zu schauen, was es an anderen Stellen der Welt an Entwicklungen gibt, dann kommen wir vielleicht in die gleiche Situation wie die Chinesen im 19. Jahrhundert, die auch geglaubt haben sie müssen die industrielle Revolution nicht beachten und dann in eine große Krise gefahren sind. Und das ist meine Sorge, wenn wir die Offenheit verlieren, dann kriegen wir ein großes Problem, und ein Stück weit haben wir sie schon verloren.

Frank Sieren ab der Zeitmarkierung 40:55 in der Sendung Precht vom 12.02.2023

Diese mahnenden Worte signalisieren die Verwundbarkeit Deutschlands, falls die BRICS-Staaten oder speziell China keine Nachfrage nach deutschen Gütern und Technologien mehr haben sollten. Welche weiteren Optionen blieben dem ehemaligen Exportweltmeister dann übrig? Denn während wir über weitere sinnlose Waffenlieferungen diskutieren, die erstens viel später ankommen als angekündigt und zweitens noch mehr tote Menschenleben auf beiden Seiten fordern, tüftelte China an einer diplomatischen Lösung für einen Waffenstillstand im Ukrainekrieg. Im Schatten des Krieges organisieren sich langfristig neue geopolitische Strukturen um China und Indien, während Deutschland weiterhin verschläft und eines Morgens in einer neuen Welt aufwacht. Das mögliche Verpassen von elementaren Geschehnissen in der Weltpolitik, sowie eine Versteifung auf den Krieg in der Ukraine könnten zu einer potentiellen Restauration alter Muster führen anstatt einer Innovation der deutschen Wirtschaft. Dies könnte größere Gefahren für das deutsche Wohlstandsmodell verbergen. Im Zuge dieser Analyse bleibt die Rolle Deutschlands in der internationalen Politik offen. Was sollte Deutschland auf jeden Fall nicht leisten? Eine politische Agenda der Moralisierung und neokolonialen Rhetorik gegenüber Schwellenländern in Afrika oder Südamerika sollte absolut vermieden werden, wie der Fall des ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert in Namibia demonstriert.

Außerdem sollten wir uns nicht selber etwas vormachen oder uns von einer Illusion leiten lassen, wenn es um die wirkliche Attraktivität des deutschen Wirtschaftsstandorts im weltweiten Vergleich bestellt ist, wie Christian Lindner in Ghana herausfand.

Nach meiner Meinung sollte eine politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den BRICS-Staaten angestrebt und keinesfalls voreilig vom Tisch geworfen werden, da man beispielsweise in den zahlreichen Kompetenzen der Digitalisierung einiges von China lernen könnte. Jedoch sollte man Sierens Worte auf die gesamte Staatenvereinigung der BRICS und ihre Anwärter anwenden, da dieses geopolitische Projekt von absoluter Signifikanz für das wirtschaftliche Miteinander im internationalen Maßstab sein wird. Deswegen muss man die politische und wirtschaftliche Schlagkraft der BRICS+ in Anbetracht dieser Zeitenwende ernst nehmen, weil dieser Zusammenschluss an Staaten den Grundstein für eine multipolare Weltordnung legt.

Dabei bleibt nur noch eins offen, nämlich die geopolitische Position Deutschlands. Meiner Meinung nach sollte sich die deutsche Rolle nicht im Zuge der ‚Scholz’schen‘ Zeitenwende in einem neokolonialen Diktat gegenüber den wachsenden Schwellenländern festsetzen, wie es einst Norbert Lammert in Namibia tat. Zukünftige deutsche Bundesregierungen sollten diesen Ländern keine moralischen oder demokratische Ideale auferlegen. Wir können und sollten diesen Ländern auch nicht unsere Klimaschutzdoktrin aufzwingen, bei der wir aufgrund der pechschwarzen und umweltschädlichen Vergangenheit des deutschen Wirtschaftswunders der Nachkriegsjahre natürlich nicht mit einem Ideal vorangehen würden. Alleine ein paar Bilder des Ruhrgebiets der 1960er Jahre sind vergleichbar mit dem Smog Shanghais während der späten 1990er Jahre und werden in naher Zukunft weiterhin komparabel mit einer afrikanischen Stadt südlich der Savanne sein. Unsere deutschen Stimmen werden im Laufe der kommenden Jahrzehnte immer kleiner werden, da Länder wie Indien oder China sich zu den wichtigsten geopolitischen Kräften entwickeln werden. Daher sollten wir von diesen Ländern profitieren und uns nicht mit einigen Sanktionspaketen ins eigene Bein schießen. Deutschland sollte sich in Bescheidenheit üben und stets auf die eigenen Entwicklungen konzentrieren, da das eigene Wohlstandsmodell im Zuge dieser weltpolitischen Neuanordnung womöglich in Gefahr ist.


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