Ein Jahr Ukrainekrieg – Schicksale und Perspektiven

Eine Reportage von Fabian Huber

Quelle: Ukraine-Krieg: Raketen auf Kiew – Russland bombardiert die Hauptstadt (op-online.de)

Der 24. Februar 2022 hat unsere Welt für immer verändert. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist in vollem Gange und viele Deutsche sind von den Kriegsmeldungen aus der Ukraine geschockt. Den Ukrainern wird sofort klar: Frauen müssen vorerst mit ihren Kindern die Flucht anzutreten und überleben. Hauptsache weg, auch wenn das eigene Herz emotional stark blutet. Hunderttausende Menschen begeben sich in die westlichen Nachbarländer. Für einige von Ihnen ist am Ende Baden-Württemberg das finale Ziel. Im vergangenen Jahr haben sich nach Angaben des Justizministeriums mehr als 146.000 Menschen auf den Weg in den Südwesten gemacht. Doch wie geht es den Familien heute, nach über 13 Monaten Gefühlschaos, schlaflosen Nächten, voller Sorge um die eigene Zukunft und die ihrer Kinder?

Szenenwechsel. Mitten im nördlichen Schwarzwald, umgeben von saftigem Gras, wolligen Schafen und meckernden Ziegen liegt der schöne Naherholungs- und Luftkurort Bad Herrenalb. Wanderwege laden zum Erkunden der Umgebung mit anschließendem Verweilen in Cafés oder Restaurants in urigem, schwäbischem Ambiente ein: Da hängen Wildtiere an den Wänden die Tischgarnitur ist mit traditionellen Mustern verziert. In den letzten Jahrzehnten hat Bad Herrenalb große Bekanntheit über Landesgrenzen hinweg erlangt: Es reihen sich Fachwerk- an Fachwerkhäuschen und voll auf seine Kosten kommt man spätestens bei der Erkundung der naheliegenden Klosterruine samt kleiner Zeitreise ins 12. Jahrhundert. Die Nähe zur Natur, die hervorragende Luft, kindergerechte Wanderstationen mit plätschernden Brunnen und Murmelspielen, schlicht: Die Möglichkeit eines tollen Familienausfluges in die Natur machen einen Aufenthalt perfekt. Nicht umsonst darf sich Bad Herrenalb „heilklimatischer Kulturort“ nennen. Wer eine mehrtägige Erholung sucht, kann dies in den diversen Unterkünften der 8000 Seelengemeinde tun. Eine davon ist das Ferienheim Aschenhütte. Das Haus liegt direkt am Berg und bietet eine traumhafte Aussicht auf die malerisch hügelige Landschaft mit vielen plätschernden Bächchen. Man fühlt sich umgehend wie im Urlaub. Weit und breit keinerlei Lärm. Doch seit mehr als einem Jahr haben in dem Haus auch Flüchtlinge aus der Ukraine eingecheckt.

Liubov Stelmakh ist eine von Ihnen. Ich verabrede mich mit ihr zu einem Kaffee direkt vor Ort. Gemeinsam setzen wir uns hinaus auf eine Bank an die frische Luft. Mit an Bord ist auch Dolmetscherin und Köchin Georgieva, die mir tatkräftig zur Seite steht. Wir beginnen mit einem kleinen Rückblick, ein Jahr zurück.


Liubov Stelmakh gemeinsam mit ihrer Kollegin Georgieva an der frischen Luft-  die beiden Frauen sind ein Herz und eine Seele und verstehen sich auch privat richtig gut
Liubov (links) und Georgieva (rechts) arbeiten im Ferienheim in Bad Herrenalb

Als das erste Bombensignal ertönt, klingeln bei Lioubov Stelmakh umgehend die Alarmglocken. Nach 15 Minuten ruft sie ihre Tochter an. Beide haben ein mulmiges Gefühl im Bauch, dass nun ein Krieg gegen ihr eigenes Land beginnen wird „Angst stand uns ins Gesicht geschrieben“, berichtet Lioubov Stelmakh von ihrer damaligen Situation im südukrainischen Mykolajiw. Die Beiden brauchen keine Stunde um den Entschluss zur Flucht zu fassen. „Mit wenigen Klamotten im Rucksack haben wir schweren Herzens unsere geliebte Heimatstadt verlassen“, sagt Lioubov. Die 43-Jährige macht sich gemeinsam mit ihren Kindern, ihren beiden Schwestern, deren Kindern und den Enkeln direkt auf den Weg ins 500 Kilometer entfernte Rumänien. In Rumänien angekommen ging es für Familie Stelmakh zunächst weiter nach Frankfurt am Main, wo sie für zwei Wochen in einer Notunterkunft unterkamen. Während dieser Zeit hatten sie alle eine Frage gemeinsam: „Was steht als nächstes an? Werden wir finde eine geeignete Unterkunft für die kommenden Monate finden?“ Stundenlang durchsuchen sie das Internet. Doch fündig werden sie zunächst nicht. Ein verzweifelter Akt auf der Suche nach einer passenden Unterkunft.

In diesem Moment ist das Energielevel der Ukrainerin auf dem Tiefpunkt angelangt: „Werden wir überhaupt so schnell etwas für uns in Deutschland finden“? schildert Liubov Stelmakh den aufgewühlten Zustand während des Aufenthalts in Frankfurt.

Sie erinnert sich noch sehr genau an die Situation:„Ich suchte nach einer Arbeit, um mich und meinen Sohn zu versorgen“. Das Wichtigste für Liubov war aber eine sichere Bleibe, ohne direkt nach ein paar Tagen wieder vor die Tür gesetzt zu werden. Manchmal kommt es so, wie es kommen muss. Für Liubov und ihren Sohn ist es der pure Zufall: Eine Anzeige auf Facebook entpuppt sich als wahrer Glücksmoment. Plötzlich blink eine passende Stellenausschreibung auf mit folgenden Worten:

„Im Ferienheim Aschenhütte wird dringend eine Köchin gesucht“. Da sie bereits in der Ukraine jahrelang als Köchin gearbeitet hat, zögerte sie keine Sekunde. Sie griff sofort zum Telefonhörer. Lioubov schwärmt immernoch mit einem Leuchten in den Augen von Tatiana, die ihr genau diese Stelle im Ferienheim vermittelt hat und damit gleichzeitig eine Unterkunft, wo sie und ihr Sohn bleiben können. Sie weiß, dass ihre Fähigkeit als Köchin hier bei allen Gästen dankend angenommen wird. Eine große Wertschätzung im Team in Verbindung mit großem Zusammenhalt bereiten der zweifachen Mutter besonders Freude bei der täglichen Arbeit in der Küche.

Doch so viel Spaß ihr der Job auch macht, mit ihren Gedanken ist sie immer zu Hause in ihrer Heimat. Viele nachdenkliche Stunden in ihrem eigenen Zimmer vergehen, wo sie meistens über die Zustände in Mykolajiw nachdenkt… „Wie geht es der Verwandtschaft und den Freunden eigentlich vor Ort“?  Daher ist ein tägliches Gespräch, sowohl mit ihrer eigenen Familie und den Freunden für sie besonders wichtig, denn ihre Schwestern sind in die gewohnte Umgebung zurückgekehrt. Das Heimweh war einfach riesengroß. Jedes noch so kleine Update kann schon informieren, dass jemand aus ihrem Umfeld am Leben ist, oder sich in einer prekären Lage befindet. In einem sehr persönlichen Moment unseres Gespräches berichtet Lioubov, dass die Situation aktuell „ruhiger“ ist als in den vergangenen Monaten. Doch von einer Waffenruhe und einem baldigen Ende der Gefechte spürt sie noch lange nichts. „Natürlich ist weiterhin immer noch Krieg, man weiß nicht was morgen kommt“. Im weiteren Verlauf schildert Lioubov von ihrer Tochter Jana. „Sie kann nicht ohne ihren Mann leben und ist daher wieder zurück in unsere Heimat gereist. Als meine Tochter gemeinsam mit dem Enkelkind sich in Deutschland aufhielt, war ihr Mann in der Ukraine geblieben. Doch die Bindung ist so stark, dass sie nicht ewig voneinander getrennt sein wollten“. Sie ist einfach stolz auf ihre Tochter, dass sie sich von nichts unterbringen lässt. Erst recht nicht von der russischen Invasion in ihrem eigenen Land. Doch im Moment traut sich Lioubov noch nicht zurück in ihre Heimatstadt, die Angst überwiegt noch zu sehr. Dennoch möchte sie in jedem Fall, wenn alles vorbei ist, umgehend die Heimreise antreten. „Familie und Freunde sind dort, ich möchte unbedingt wieder mein gewohntes Umfeld erleben“.

Damit für alle Ukrainer irgendwann dieser Wunsch wahr wird, braucht es nach wie vor tatkräftige Unterstützung. Sowohl von den Behörden hier in Deutschland, die den Menschen bei ihrem Aufenthalt helfen, als auch der Personen direkt an der Front, aber auch in den ländlichen Gebieten der Ukraine, die mit Hilfsmitteln unterstützt werden. Ich möchte engagierte Helfer aus der Region Stuttgart kennenlernen, um hinter die Facetten ihres persönlichen Engagements zu blicken und begebe mich auf die Reise nach Kirchberg an der Murr.

Die Gemeinde mit ihren 3900 Einwohnern ist eine halbe Stunde von der Landeshauptstadt entfernt. In einer Flüchtlingsunterkunft nahe dem Bahnhof wartet Valeria Fedchenko bereits mit einem sympathischen Lächeln auf den Lippen im Eingangsbereich der Anlage. Sie arbeitet für die Organisation Caritas als Sozialarbeiterin in der Abteilung „Flucht und Asyl“ in Kirchberg und bietet ihre Hilfe überall an, wo es nur geht. In der Unterkunft ist auch ihr eigenes Büro angesiedelt. So kann ein direkter Kontakt mit den Menschen vor Ort ohne großartige Einschränkungen hergestellt werden.

Valeria Fedchenko organisiert Workshops und hilft ukrainischen Geflüchteten mit der Bürokratie

Valeria arbeitet mit Herzblut bei der Caritas und hat für alle ein offenes Ohr

Valeria Fedchenko geht die Entwicklung des Geschehens bis heute persönlich nahe: „Ich habe mich überhaupt nicht gut gefühlt. Es war sehr bedrückend für mich und habe mit meinem Mann über die tragischen Szenen gesprochen “, erzählt sie von den ersten Nachrichten des Krieges gegen die Ukraine. Sie schaut sehr bedrückt und nachdenklich, wenn es um dieses Thema geht. Die ersten Bilder vom Krieg beschreibt sie folgendermaßen: „Es ist einfach nur furchtbar, so etwas zu erfahren, denn Russen und Ukrainer sind eigentlich zwei Völkergruppen, die befreundet sind“. Seit der russischen Invasion in der Ukraine steht ihr Telefon nicht mehr still. Die Caritas ruft immer wieder an, auch Gemeinden sind am Telefonhörer. Sie alle eint eine Frage an Valeria: Ob sie sich vorstellen könne, bei der Betreuung der Geflüchteten mitzuhelfen und zu unterstützen. Sie entscheidet sich für die Caritas, da diese die ersten mit einer Anfrage waren. „Dort bin ich jetzt gelandet und arbeite sehr gerne hier“, erzählt Valeria.

Rückblickend auf das Frühjahr 2022 hat die Caritas sie schon ein bisschen ins kalte Wasser geschmissen, denn es kamen hunderte Menschen auf einmal, die sie versorgen musste. „Es war sehr anstrengend für uns Sozialarbeiter, verbunden mit Überstunden“, schildert Valeria Fedchenko ihr Arbeitsleben. Durchschnittlich 90 Personen betreut sie aktiv. Sie bleiben im ständigen Austausch. Durch ihren vorherigen Beruf als Lehrerin an einer russischen Schule in Ludwigsburg hat Valeria keine Angst vor den riesigen Bergen an bürokratischen Dingen und schaut allen Mutes nach vorn in dieser herausfordernden Zeit. Einen großen Vorteil sind Valerias Russischkenntnisse. Sie hilft den Menschen beim Ausfüllen von Dokumenten oder dolmetscht bei Terminen. Ein weiteres Angebot sind Kurse für die Geflüchteten. Valeria Fedchenko nimmt die Leute an die Hand und vermittelt in aller Ruhe, wie sie Formulare in Zukunft eigenständig ausfüllen können. Jedoch gibt es bei der Caritas in diesem Punkt die Unterteilung in zwei Bereiche.

Auf der einen Seite gibt es den „beruflichen“ Strang. „Im beruflichen Zweig ist es so, dass eine Familie nicht einfach spontan zu uns hier nach Kirchberg kommen kann“, erklärt Valeria.

Wenn Flüchtlinge aus einem anderen Land zu uns nach Baden-Württemberg kommen, werden sie erst in Landeserstaufnahmestellen nach Sindelfingen und Karlsruhe untergebracht. Im Anschluss werden die Menschen dann verteilt, beispielsweise nach Waiblingen in eine kleinere Flüchtlingsunterkunft. Dies geschieht, damit die riesige Menschenmenge an unterschiedliche Orte gelangt, an denen sich gezielt geschultes Personal um sie kümmern kann.

„Unser Manager teilt uns dann als Arbeitskräfte eine bestimmte Anzahl an Personen zu, für die wir verantwortlich sind. Wir kümmern uns aktiv um das Ausfüllen aller Unterlagen, die eine Familie mitbringt, da sie oft überfordert sind und kein Land mehr vor lauter Papierkram sehen“.

Doch zusätzlich setzten sich viele MitarbeiterInnen ehrenamtlich ein. Valeria sieht es als Berufung, den Menschen zusätzliche Tipps für ihren Alltag zu geben. In Ihrer Unterkunft bietet sie beispielsweise einem Putzworkshop ab: „Ich bringe den Leuten bei, welche Mittel man für welche Dinge verwenden sollte, damit es zu keiner Verwechslung kommt“, schmunzelt sie. Einmal sollen BewohnerInnen versucht haben, mit Reinigungsmitteln ihr benutztes Geschirr zu säubern. „Dies ist natürlich nicht der richtige Weg“ lacht Valeria Fedchenko. „Ich dachte, dass kann gefährlich sein und dass sollten wir auf jeden Fall verhindern“. Mit solchen Zusatzangeboten macht die Sozialarbeiterin die Menschen sehr glücklich.

Karolina Nourddine sammelt Hilfsgüter und Spenden für die Menschen in der Ukraine

Weiter geht es für mich in den Landkreis Böblingen nach Weil der Stadt, denn in der Keplerstadt wohnt eine weitere, sehr engagierte Frau. 50 Kilometer von Kirchberg entfernt zeigt eine Lehrerin aus Weil der Stadt ein großes Herz und sammelt seit Beginn des russischen Angriffskrieges Hilfsgüter und Geldspenden für die Menschen aus der Ukraine. Sie ist davon überzeugt, dass die Solidarität nicht nachlassen sollte. Man darf nicht wegschauen, sondern muss genau hinsehen, was fehlt. „Welche Güter oder Spendengelder werden aktuell in welcher Stadt benötigt?“ Bei dieser Frage horcht Karolina Nourddine besonders auf. Abgegebene Kleidungsstücke, Kaffeemaschinen oder Geldspenden lässt sie dann direkt über Hilfskonvois oder aus eigener Kraft in die Ukraine bringen.

Das eigene Herzensprojekt beginnt in Kooperation mit „AkaAsyl“, einem gemeinnützigen Verein für die Region Stuttgart, dem eigenen Freundeskreis und den KollegInnen aus ihrer Schule.

Karolina Nourddine hilft sammelt und bringt Hilfsgüter in die Ukraine

Karolina mobilisiert in ihrer Umgebung alle Menschen und macht sich am Ende mit einem voll beladenen Auto auf den Weg nach Polen. Dort ist sie geboren und aufgewachsen. Vor ihrer Abfahrt haben Karolinas Familie und Freunde ihr einen wichtigen Ratschlag gegeben, wenn es ums Geld geht.  „Wenn du losfährst, musst du auf jeden Fall ein bisschen Bargeld haben“, erzählt sie von ihrer ersten Fahrt. So wie in der Ukraine, gab es auch in Polen kein Bargeld und an jeder Tankstelle war Sprit pure Mangelware. „Gott sei Dank habe ich einen großen Diesel, mit dem man eine ganze Strecke, nämlich gute 1000 Kilometer durchfahren kann“, erzählt Karolina . Mit ihren beiden Kindern auf der Rückbank beginnt ihre erste Fahrt in ihre polnische  Heimat Rybnik, in der Region rund um Oberschlesien an der Grenze zu Tschechien. Auf dem Weg nach Polen erlebt die Familie einen spektakulären Zwischenfall. „Vor Breslau standen wir eine Weile im Stau, als plötzlich gelber Nebel kam“, schildert Karolina diesen außergewöhnlichen Moment der Aufregung. Schweißausbrüche verleiteten Karolina dazu, ihren Mann zu kontaktieren, ob irgendwelche Nachrichten dazu auf den sozialen Medien existieren. Eine wichtige Absicherung, denn nicht, dass Putin bereits eine Bombe auf dem Weg nach Polen heruntergeworfen hatte. Glücklicherweise war es nur ein „SMOG“, also Luftverschmutzung. „In diesem Augenblick konnten wir alle erleichtert aufatmen“ sagt Karolina .

Auf dem weiteren Weg nach Polen nimmt sie vermehrt ukrainische Autos wahr. „Ich habe noch nie zuvor so viele Autos auf einem Fleck gesehen, den Parkplätzen, alles war einfach nur überfüllt, keine Lücke erkennbar“. Dieser Anblick, dieses Leid hat Karolina für einen kurzen Moment aus der Fassung gebracht, Tränen brechen aus. Eine Frage schoss ihr in den Kopf: „Wie kann so etwas im 21. Jahrhundert überhaupt passieren?“ In diesem Moment klingelt es. Eine ehemalige Kommilitonin aus ihrer Studienzeit ist am Telefon. Sie bietet um rasche Hilfsmaßnahmen. Zwei Kinder einer Freundin sollen möglichst zeitnah aus der Ukraine gebracht. Karolina soll koordinieren. Eine Achterbahn der Gefühle. Jetzt die richtigen Hebel in Bewegung setzen, wie soll das klappen? Sie beruhigt sich. Nur so geht es.

In Rybnik fährt Karolina zahlreiche wichtige Stationen an, um diese mit all ihren gebrachten Sachen zu beliefern. Die ukrainische Community bringt ihr große Dankbarkeit entgegen! Manche brechen in Tränen aus: „Ich habe geschaut, dass diejenigen Menschen, welche in Rybnik ankommen, umgehend eine direkte Versorgung erhalten“.

Durch ihre Tätigkeit lernt Karolina auch die unterschiedlichsten Leute kennen. Einer der engsten Kontakte aus der Ukraine ist für sie Ivan Bogdan geworden. Die beiden haben sich online durch ihr gegenseitiges Engagement kennengelernt. Ivan stammt aus Butscha, der Ort, der durch massenhafte russische Gräueltaten zu trauriger Berühmtheit kam. Gemeinsam mit ihm organisiert Karolina viele Hilfsaktionen und sendet Spenden in die Ukraine. Dabei geht Karolina auf ein sehr persönliches Beispiel ein: „Ivan kümmert sich um Kinder, deren Eltern oder Väter im Krieg gestorben sind, und nimmt somit die Rolle eines persönlichen Seelsorgers ein“. Was er durchmacht, ist nicht zu erahnen. Aber Karolina weiß ganz genau, auch wenn er sich auch für eine Zeit nicht meldet: Ivan lebt. Auch wenn sich die beiden noch nie live und in Farbe begegnet sind, fühlt es sich für Karolina und Ivan an, als ob sie sich schon eine Ewigkeit kennen. Der Kontakt über WhatsApp und die Telefonate, welche die Beiden regelmäßig führen, lässt sie enger zusammenwachsen.
Aus Karolinas Sicht würde auch in unserer deutschen Gesellschaft der Zusammenhalt durch Teamwork in den hießigen Zeiten profitieren. Stattdessen kommt es immer wieder vor, dass sie für ihre Courage belächelt wird. Vor kurzer Zeit begegnet ihr ein Mann auf der Straße und wirft ihr folgenden Satz an den Kopf: „Die Leute verkaufen dort eh die Sachen weiter, warum soll ich da überhaupt irgendwelche Dinge spenden“? Durch solche Gespräche zwischen Tür und Angel lässt sich Karolina erst recht nicht entmutigen. Schließlich trägt auch sie eine große Sehnsucht in sich: Eines Tages wieder die beste Freundin auf einen Kaffee zu sehen. Diese ist bereits vor einigen Wochen wieder in die Ukraine zurückgekehrt. „Das war für mich sehr schwer, aber ich kann es verstehen“, fasst Karolina diesen emotionalen Moment zusammen. Irgendwann werden sich die beiden auf jeden Fall wieder sehen, sich umarmen und fröhlich lachen können, hoffen sie. Dasselbe gilt für Ivan, den sie unbedingt kennenlernen möchte, wenn die Umstände es endlich zulassen.

In den kommenden Wochen und Monaten hat Karolina Nourddine bereits großartige Projekte und Aktionen geplant, in die sie jede freie Minute investiert. Sie erzählt begeistert von ihren weiteren Vorhaben und warum es sich, lohnt zu unbedingt bei ihren Aktionen vorbeizuschauen. „Beispielsweise geht es im Mai auf den Kunsthandwerkermarkt nach Weil der Stadt, an dem ich meine eigens gemalten Bilder zum Verkauf anbiete und ausstelle. Eine weitere Aktion wird  ein Theaterstück sein, dass zugunsten der ukrainischen Bevölkerung von der ukrainischen Community  aufgeführt wird“. Doch Karolina Nourdinnes größter Wunsch ist: „Die Ukraine und das Militär sollen die Unterstützung erhalten, dass sie die Russen aus ihrem Land vertreiben können“.  


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